12. FEBRUAR 2016

Immer wieder sonntags
Suzan Smadi

Suzan Smadi

HÖR- und SCHAUbühne Stuttgart

Sonntagnachmittags deckt sich Lieselotte Damaschke, genannt Lilo, immer besonders liebevoll den Tisch.
Beim Kaffeetrinken redet sie sich warm, erzählt von ihrem Leben und davon, wie sie es gerne hätte. Von Unterwäsche und von der weiblichen Intuition. Von ihrer Mutter, der schon mal der Herr Jesus am Bette gestanden ist. Von ihrem Vater, der Leichen schön geschminkt hat, damit sie von den Hinterbliebenen beschaut werden können.

Sie heult, sie kichert, sie bekommt die Wut – weil der Therapeut keinen Spaß versteht. Weil der Bewährungshelfer – knackig wie 'ne verkochte Gurke– ihr die Tour vermasselt hat. Weil die Nachbarin, die olle Blaschke, in ihre Privatsphäre hineinoperiert. Und sie träumt: Weil ein Student mit einem Brillchen ihr den Hof macht. Und Gedichte schreibt! Für den gibt sie gern ihre glamouröse Balangse auf. Bei all dem hat Lilo einen Gast mit am Tisch sitzen: ihren Gatten Manfred, der an der ganzen Zeremonie allerdings etwas derangiert teilnehmen muss. Als Boxer nannten sie ihn früher den Hammer von Groß-Denkendorf doch Lilo hat dafür gesorgt, dass Manni pariert! Die Sache mit Manfred, das ist ihr ganz besonderes Geheimnis.

Regie Cornelius Gohlke,
Figurenbau Stefanie Oberhoff und Lambert Mousseka

www.hoerundschaubuehne.de

Eine Produktion der HÖR-und SCHAUbühne Stuttgart in Co-Produktion mit dem Studio Theater Stuttgart

Schrill/schräg/böse/lustig

Nachlese:

„Immer wieder sonntags“, oder „Lilo, die mörderische Plaudertasche“

Susan Smadi – HÖR- und SCHAU-bühne Stuttgart

„Immer wieder sonntags“, eine Hardcore-Komödie für eine Frau und einen Manfred, frei nach „Nichts Schöneres“ von Oliver Bukowski, lautete der Titel des letzten Mühlenevents. Als „schräg, schrill, böse und lustig“ war das Stück angekündigt. Was war es denn nun? Groteske, Schwank, Komödie oder gar Sozialstück?

Im Grunde war es eine Liebesgeschichte, oder zumindest die immerwährende Sehnsucht danach, doch Gewalt und Leidenschaft feierten fröhliche Urständ. Keine ganz einfache Kost, man musste schon ein bisschen aufpassen, was Lilo da so vom Stapel ließ. Es ging nicht zimperlich zu, eher drastisch und komisch und das alles in stetigem Wechsel.

Auf der Mühlenbühne entstand das Reich der Lilo Damaschke, die sich kunstblond unterm rosa Turban mit Tupfenkleid und Perlenklunker selbst erfand. In einem einzigen Redeschwall mischten sich im Melissengeistrausch Dichtung und Wahrheit mit einem kräftigen Schuss Klatschpresse.

Es ist Sonntagnachmittag und Lilo verwandelt ihr mit Kitsch und Hundeportraits vollgestopftes Wohnzimmer in ein Café. Sie ist Gast und Bedienung in einem, als Begleitung hat sie ihren Gatten Manfred dabei, den sie schon längst in die Tasche gesteckt hat. Und das wortwörtlich – der Ex-Profi-Boxer darf als Handpuppe aus ihrer Ledertasche lugen und freche Sprüche machen. Der alte Quälgeist ist schon lange tot – nach jahrelangen kleinen und großen Grausamkeiten hat sie den Gatten „sauber durch den Häcksler“ gejagt. Dafür gab es sechs Jahre Knast und Klapse, doch das kann eine Lilo nicht erschüttern. Ihr Leben ist voll von abgefahrenen Typen, die ständig in ihr Leben „hineinoperieren“ wollen, aber so schnell läßt sich eine Urenkelin des Baron Münchhausen nicht unterbuttern...

Der Schauspielerin Susan Smadi gelingt es, die unverwüstlich-deftige Frohnatur Lilo facettenreich anzulegen und ihr mit Berliner Schnauze, Glaubwürdigkeit zu verleihen. Susan Smadis schauspielerische Leistung und Wandlungsfähigkeit überzeugen in jeder Szene. „Schaut her, solche Menschen gibt es“,- könnte man das Fazit dieses Theaterabends nennen.

Schade nur, dass in den hinteren Reihen des Saales so manches vom Text nicht mehr ankam, obwohl in einem solchen Stück jedes Wort wichtig wäre. Viele Schauspieler sind davon überzeugt, dass sie keine technische Unterstützung brauchen. Doch der Soundcheck im leeren Saal ist immer anders, als die Akustik im besetzten Raum.

Auszüge aus „Kulturszene“ und „Stuttgarter Zeitung“, zusammengestellt von Irmi Dollanski