6. Mai - 3. Juni 2012
Heidrun Becker - "Erwachen"
Vernissage „Erwachen“ – Heidrun Becker
Über viel Freundschaftsbesuch freute sich Heidrun Becker am vergangenen Sonntagnachmittag. Alle wollten ihre neuen Bilder sehen, deren vierwöchige öffentliche Präsentation in der Mühlengalerie unter dem Titel „Erwachen“ an dem Tag ihren Anfang nahm.
Ausgiebig genutzt wurde die seltene „Künstlercafè“-Gelegenheit, sich in gemütlicher Runde mit der Künstlerin auszutauschen. Rund 60 Besucher nahmen an dem wetterunbeständigen Nachmittag dieses Angebot gerne an - was sich letztlich durch die zunehmende Präsenz von „roten Punkten“ an verschiedenen Bildern bemerkbar machte.
Sie male, was sie bewegt und interessiert, bekennt die in Bergatreute seit Jahrzehnten wirkende Künstlerin. Die „Lebensleiter“ sei das Grundthema für ihre Bildergeschichten, die jeder nach seiner individuellen Befindlichkeit interpretieren könne. Sie male nicht, um zu gefallen, sondern bewege sich im Malprozess wie in einem „Labyrinth der Verirrungen“, in dem der Schlusspunkt zur rechten Zeit, oftmals das Schwierigste sei.
Ihre „Metamorphose“ durchlebte Heidrun Becker während der Zeit der Pflege ihres erkrankten Mannes, gab Laudatorin Iris Rundel weiter. Ganz plötzlich auf den engen Raum des Haushalts beschränkt, fand sie ihre persönliche Befreiung und diese schuf sich Bahn als „Freiheit in der Kunst“. Dazu sei auch die freie Wahl der Materialien zu zählen, sowie das Experimentieren damit. Das bringe sie immer wieder auf neue Wege, neue Formen und Neugestaltungen der Bildfläche. So scheinen ihre neuen „Frauenbilder“ durch die verwendete Mischtechnik (Gouache, Acryl, Wachs, Öl und Tusche) einerseits irritierend transparent, zum anderen wiederum fein konturiert. Beckers „Leiter“ führte vom Abstrakten heraus ins Figürliche und von da zu den ausdrucksstarken Frauenbilder.
Ihr Beispiel macht Schule: Ihre Enkelkinder (Jula, Lias und Mira) präsentierten erstmals eigene Bilder.
Bruno Rauscher
Grellrote Münder in wächsernen Gesichte
Heidrun Becker zeigt in Oberteuringen überwiegend Frauenporträts
Von Helmut Voith
Oberteuringen Lange hat die freischaffende Malerin Heidrun Becker aus Bergatreute farbintensive Landschaften gemalt, jetzt beschäftigt sich die 1944 geborene Malerin bevorzugt mit Frauenbildern. Beide Gruppen sind in der neuen Ausstellung in der Mühle in Oberteuringen vertreten, die am Sonntagnachmittag um 14 Uhr eröffnet wird.
Gleich neben dem Eingang hängt eine großformatige abstrakte Landschaft, in der verschiedene Farbflächen aufeinander treffen. Man erkennt die Spuren des Malprozesses, spürt die Spannung, die aus der Begegnung der verschiedenen Farben erwächst und durch die zeitliche Aufeinanderfolge verstärkt wird. Weitere Landschaften in kleinerem Format hängen im Untergeschoss, aber auch kleinere Porträts.
Den großformatigen Porträts gehört der Hauptraum in der Mühle. Einzelne Köpfe oder zu kleinen Ensembles gefügt, Frauenköpfe von vorne oder im Profil, fast flächig wie in weit zurückliegenden Epochen der Kunst gemalt, fast eindimensional. Bemerkenswert ist die bewegte, stark gemusterte Gestaltung der Hintergründe, die Gestaltung der oft ebenso stark gemusterten Kleidung. Die Malerin experimentiert mit alten Techniken, legt Schichten von Wachs über Acryl, das den Gesichtern einen ungewöhnlich samtenen Ton verleiht. Die wächserne Haut steht in starkem Kontrast zu den grellroten, üppigen Mündern. Auf einem Bild ist Moulin Rouge zu lesen, wohl ein Hinweis auf viele der dargestellten Frauen. Die stark geschminkten Augen stehen meist weit offen, sie schauen indifferent, abwesend drein, aber auch schelmisch oder kokett. Die Gesichter haben etwas Maskenhaftes an sich, ohne wirklich wie Masken zu wirken. Sie sind nicht ausdruckslos, doch wohl weit entfernt von glücklicher Erfüllung. Gesichter können so unendlich viel ausdrücken, diese Gesichter sprechen von Resignation, aber noch nicht von Aufgabe. Man hat sich arrangiert, versucht sich zu behaupten, in lauter Weise auf sich aufmerksam zu machen.
Erschienen: Schwäbische Zeitung 07.05.2012