27. Juni - 16. Juli 2014
Reiner Anwander, Gabriele Janker-Dilger & Schüler
Der Bildhauer Reiner Anwander, Meisterschüler der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und Teilnehmer am KunstRaum Oberteuringen, ist auch Dozent an einem Berufskolleg und einer Fachhochschule für Grafik Design im Fach Freies Zeichnen. Er und seine Kollegin Gabriele Janker-Dilger zeigen plastische Arbeiten.
Ergänzend sind die Zeichnungen zu sehen, die während des Unterrichts der beiden Dozenten von den Schülern/Studenten geschaffen wurden und die ganze Palette des figürlichen Zeichnens präsentieren.
www.skulptur-malerei-anwander.de
Von ersten Schritten bis zur individuellen Handschrift
Friedrichshafen - Bernd-Blindow-Schüler stellen mit ihren Dozenten Reiner Anwander und Gabriele Janker-Dilger in der Mühle Oberteuringen aus
Harald Ruppert
In der Grundausbildung von angehenden Künstlern geht es immer noch darum, gegenständliches Zeichnen zu erlernen, die perspektivische Darstellung und die menschliche Gestalt zu beherrschen – allerdings wäre man in früheren Jahrzehnten wohl noch nicht auf den Gedanken gekommen, die Schülerinnen und Schüler ein „Storyboard“ entwickeln zu lassen, also eine Art grobes optisches Drehbuch für einen Film, in dem alle genannten Darstellungsfragen eine Rolle spielen – vermehrt noch um erzählerische Erfindungsgabe. Unter anderem vor diese Herausforderung wurden die Schülerinnen des sechs Semester dauernden Ausbildungsgangs Grafik-Design von ihren Lehrern gestellt, den Künstlern Reiner Anwander und Gabriele Janker-Dilger. Die Ergebnisse sind im Kulturhaus Mühle in Oberteuringen zu sehen, nebst eigenen Arbeiten der beiden Dozenten. Als Bleistift- oder Filzstiftzeichnung entwickeln die Schüler ihre Storyboards zum Thema „Bereitschaftsdienst“ – etwa über eine Ärztin, die vom Yogakurs weg zu einer Geburt gerufen wird, wobei die Entbindung in Großaufnahme und dennoch völlig unvojeuristisch dargestellt wird. Unter anderem galt es aber auch, den menschlichen Körper in Bewegung zu fassen, sei es nun im Lauf, auf Fahrrad oder Vespa. Schon sehr beeindruckend ist die Darstellung perspektivisch stimmiger – und teilweise recht verwinkelter – Räume per Blei- oder Farbstift, inklusive verzwickter Licht- und Schattenwirkungen. Eine schwierige künstlerische Aufgabe bleibt die Darstellung der menschlichen Hand, weswegen auch hierzu Bleistiftskizzen nicht fehlen.
Reiner Anwander lehrt seit 17 Semestern an der Blindow-Schule, und die Teuringer kennen ihn bereits durch seine Teilnahme am „KunstRaum“ entlang der Rotach, wo er mit seiner Holzskulptur „Stele mit Scheibe“ vertreten ist. Holzskulpturen zeigt er nun auch in dieser Ausstellung in der Mühle – Skulpturen aus altem Eichenholz, oft aus ehemaligen Stützpfeilern, die eine plastische Gestalt schon mitbringen – darunter auch Schlitze und Lochbohrungen, in denen Zapfen steckten. Anwander arbeitet gegen diese Gegebenheiten und mit ihnen, bis am Ende oft unklar ist, welche Formen er nun vorfand und welche er selbst geschaffen hat.
Es ist ein Dialog, den er auch mit dem Wuchs des Holzes führt, wie in der Arbeit „Stele serpente“, aus der er der Wuchsrichtung entsprechend einen Grat herausgearbeitet hat, der eine Schlangenlinie oder auch eine gebogene Wirbelsäule bildet. Spannungsbildend kontrastiert wird diese Rundung durch ein hervortretendes Quadrat. Dass Anwander mit vorbearbeitetem Fundholz arbeitet, gibt ihm Indizien und Impulse, steht aber nirgends der Eigenständigkeit seiner Formfindungen im Weg. Umgekehrt sind seine Bearbeitungen auch so gesetzt, dass etwa ein vorgefundener Steg, der ursprünglich aus Gründen des Verwendungszwecks ins Holz gestemmt worden war, am Ende zum stimmigen Bestandteil seiner eigenen Gestaltung geworden ist.
Anwanders Kollegin Gabriele Janker-Dilger wiederum zeigt Textilkunst, die in letzter Konsequenz den Bildcharakter hinter sich lässt und zum amorph geformten Objekt wird – zum Objekt, das als Kunstwerk abgeschlossen ist und sein Veränderungspotenzial doch beibehält, denn diese Objekte haben pfützen- oder quallenhafte Umrisse und zeigen ein ursuppenartiges „Innenleben“, in dem jede Form, jede Farbe in einem unabgeschlossenen Wandlungsprozess begriffen scheint. Gabriele Janker-Dilger färbt, appliziert, durchsticht und benäht ihre Textilien. Dabei erweisen sich etwa scheinbar zufällig mäandernde Linien als sorgsam aufgenähtes Fadenmuster. Was also fixiert ist, wirkt keineswegs wie festgelegt, und in der Überlagerung von Formen, die auch dreidimensional werden, entsteht der Eindruck räumlicher Tiefe, in der sich Wandlungsprozesse abspielen, die in ihrer Gesamtheit gar nicht zu überblicken sind.
Ausstellung in der Mühle zeigt: Künstlerisches Arbeiten will gelernt sein
Zeichnungen angehender Grafik-Designer der Bernd-Blindow-Schulen begegnen Werken ihrer Dozenten
Helmut VoithWie Reiner Anwander erklärt, gliedern sich die sechs Semester in zwei Ausbildungsabschnitte. Zuerst erfolgt als Rüstzeug die akademische Zeichenausbildung, dazu zählen Schattieren und Schraffieren, Perspektive, das Erfassen von Räumen. Nach Stillleben, Tieren und Pflanzen gilt das Hauptaugenmerk dem Menschen. Zu all diesen Schritten sind in der Ausstellung Beispiele zu sehen: fein gestrichelte Tierzeichnungen, Handstudien aus unterschiedlicher Perspektive, Studien von Menschen in Bewegung. Da ist zum Einen eine Ballettstudie, da sind auch Menschen in Bewegung auf dem Fahrrad oder Motorroller. Spannend ist die Gegenüberstellung verschiedener Architektur, orientalische Gebäude neben einer menschenleeren Straßenflucht zwischen Glaspalästen.
Im zweiten Ausbildungsabschnitt suchen die Dozenten Aufgaben, die all diese Fertigkeiten voraussetzen. So sind derzeit im Examen „Storyboards“ gefordert, wie sie etwa in der Produktwerbung erwartet werden. Kleine Filmsequenzen sollen erfunden und zuerst einmal in Bildfolgen aufgezeichnet werden. Da verfolgt eine Schülerin in fünf Zeichnungen den Bereitschaftsdienst einer Gynäkologin, die einem Baby auf die Welt hilft, andere erzählen von der Feuerwehr, zeigen, wie ein Mensch aus dem brennenden Fenster ins Sprungtuch stürzt, wieder andere zeigen, wie ein Verhafteter abgeführt, wie ein Verunglückter in den Krankenwagen getragen wird. Gezeichnet wird mit Bleistift, später mit Farbe in Markentechnik, die am Computer weiterverarbeitet werden könne.
Den Schülerarbeiten haben die Dozenten eigene Arbeiten gegenübergestellt. Reiner Anwander, der auch im „KunstRaum“ an der Rotach präsent ist, zeigt typische archaische Holzskulpturen aus altem Eichenholz, die ihre eigene Geschichte mitbringen. Behutsam integriert Anwander das Vorgefundene in seine Formfindungen. Gabriele Janker-Dilger zeigt Textilkunst, gefärbte, genähte, gestickte, applizierte Kunstwerke mit amorphen Formen, die in ständiger Wandlung begriffen scheinen.