9. Jan. – 8. Febr. 2015
Meret Eichler 1928 – 1998 - Gedächtnisausstellung
“LEBEN IN FARBE”
Die Malerin Meret Eichler, geboren in Ravensburg, kehrte 1959 nach dem Studium der Malerei in Berlin als Meisterschülerin des Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff in ihre Heimat zurück. In Urbanstobel, am Rande des Deggenhausertals, fand sie den idealen Ort für ihre Arbeit. Nicht nur in ihrer Umgebung, sondern auch auf zahlreichen Reisen, entdeckte sie ihre Motive.
Sie ist eine der bedeutendsten Künstlerinnen Oberschwabens.
Ihren künstlerischen Nachlass betreut der Künstler Walter Beck in Horgenzell / Urbanstobel.
>>> Rede zur Vernissage, Oberteuringen, 09.01.2015 | Andrea Dreher M.A.
09.01.2015
Farbenfrohe Bilder sind vom Schönen beflügelt
14.01.2015
Harald Ruppert
Am Beifall ist sie nicht zu messen
Farbenfrohe Bilder sind vom Schönen beflügelt
„Die Künstlerin hinterließ ein umfangreiches Werk von großer Sehnsucht und zeitloser Schönheit: Malerei in Aquarell und Öl und Leimfarben, Holztafeln in Poliertechnik, Zeichnungen und verschiedene Drucktechniken, Wandteppiche und Fayencen“, sagt Nachlassverwalter Walter Beck, der in ihrem ehemaligen Bauernhaus in Urbanstobel lebt und regelmäßig Atelierbesuche anbietet. Für die Mühle hat er Werke ausgewählt, die das breite Spektrum der Künstlerin, „alles, was sie bewegt hat“, zeigen: Blüten, Landschaften, Stillleben, abstrakte Teppiche, Fayencen. Meret Eichler schwelgte in strahlenden, kraftvollen Farben. In ihrer unverwechselbaren Bildsprache erzählte sie Geschichten von den Landschaften, die sie liebte.
1928 in Ravensburg als Tochter der Malerin Anna Eichler-Sellin und des Architekten Gustav Eichler geboren, fühlte sie sich schon früh zum Malen hingezogen. Nach dem frühen Tod der Mutter übersiedelte die Familie 1936 nach Berlin und kam nach dem Krieg bei Verwandten in Lindau unter. Von dort radelte die willensstarke 17-Jährige 1945 zu der Überlinger Ausstellung, wo sie erstmals Werke der „Verfemten“ der Nazizeit sehen durfte. Tief beeindruckt von den Bildern von Karl Schmidt-Rottluff, wollte sie unbedingt seine Schülerin werden und fuhr daher gleich nach dem Abitur zum Kunststudium nach Berlin. Als Meisterschülerin von Karl Schmidt-Rottluff der expressionistischen Tradition verpflichtet, malte und zeichnete Meret Eichler von Anfang an gegenständlich, aber eben nicht naturalistisch.
Sie hinterließ ein Werk, das von Farbenfülle bestimmt ist und das Leben in der Vielfalt seiner Erscheinungen spiegelt. Sie liebte hügelige Gegenden, daher die Vorliebe für die Toskana, die Provence oder auch Oberschwaben. Alles scheint in Bewegung, man meint noch die dynamische Kraft zu spüren, die notwendig war, eine so faszinierende Landschaft zu bändigen.
Dem Expressionismus verpflichtet
Es sind „Bilder, vom Schönen beflügelt“, wie Erika Dillmann 2008 in ihrer Vernissagerede zur Langenargener Gedächtnisausstellung sagte. Mit großer Offenheit und Tiefe habe sie stets nach neuen künstlerischen Ausdrucksmitteln gesucht, so auch, als sie mit einem Stipendium an der École des beaux arts in Paris die Fresko-Malerei lernte und später auf ihren Holztafeln weiterentwickelte. Daneben ist auch der Gobelin „Konradin reitet“ oder „Sic transit gloria mundi“ zu sehen, auf dem der 15-jährige letzte staufische Herzog von Schwaben von Ravensburg seinem Tod in Italien entgegenreitet.
SÜDKURIER,14.01.2015
Harald Ruppert
Am Beifall ist sie nicht zu messen
Die Mühle Oberteuringen zeigt einen Querschnitt durch das Werk von Meret Eichler
Als das Museum Langenargen der Malerin Meret Eichler im Jahr 1998 anlässlich ihres 70. Geburtstags eine Ausstellung ausrichtete, wünschte ihr der Museumsgründer Eduard Hindelang eine „erträgliche Gesundheit“. Das war nicht so dahingesagt. Meret Eichler litt lange an einer schweren Krebserkrankung und starb noch im selben Jahr.
Nun gibt es wieder eine Meret Eichler-Ausstellung in der Region: in der Mühle Oberteuringen. Auf einem der dort gezeigten Bilder, das zwei Jahre vor ihrem Tod entstand, stellt Meret Eichler sich selbst dar, zusammen mit skelettierten Schädeln. Ein Memento mori, das keineswegs zaghaft daherkommt, sondern in einer phantastischen Farbigkeit, die die Fauves eroberten, regelrecht grell erscheint. Jemand, der sich aus der Kunst und aus dem Leben schleichen wollte, würde sicher anders malen.
Und trotzdem: In Vergessenheit geriet Meret Eichler schon zu Lebzeiten. Manches wichtige Buch über zeitgenössische Kunst in Süddeutschland kam ohne ihren Namen aus. Dabei studierte die 1928 in Ravensburg geborene Künstlerin ab 1949 beim großen „Brücke“-Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff in Berlin, ab 1951 als Meisterschülerin. Aber 1960 zog sie weg von Berlin, wo die Musik spielte, und zurück in die heimische Provinz. Sie bezog in Urbanstobel im Deggenhausertal ein altes Bauernhaus. Ihr Vater, ein Architekt, baute ihr ein Atelier ans Haus. Hier lebte und arbeitete sie bis zuletzt.
Heute lebt hier Walter Beck, der der Künstlerin schon als 15-Jähriger assistierte. Walter Beck verwaltet auch Eichlers Nachlass. Er hat in ihrem ehemaligen Atelier eine Dauerausstellung eingerichtet, und für die Ausstellung in Oberteuringen hat er nun einen breiten Querschnitt ihres Werks ausgewählt. Über vier Jahrzehnte reicht er, von 1955 bis 1996, und er erstreckt sich über Aquarelle, Ölbilder und Linoldrucke bis hin zu bemalten Holztafeln und Wandteppichen. Ausgerechnet im Wandteppich, dieser in der modernen Kunst am Rand stehenden Technik, scheint Eichler die Gegenständlichkeit abgestreift zu haben. Wenn dem so ist, dann findet sie im Teppich „Der Wald“ zu einer Abstraktion in der Art Jakob Bräckles. Aus verschiedenen Farbfeldern besteht dieser Wald, in dem braune Stämme erkennbar sind und längere blaugrüne Fäden, die als Baumkronen lesbar sind. Eine extrem geometrisierte Gegenständlichkeit, die ins Abstrakte hinübergreift und doch nicht restlos kippt.
Aber Stilisierung und Vereinfachung zählten bei genauerem Hinsehen ja schon immer zu Eichlers Kunst. Sie gibt das Ganze – etwa einer Landschaft – ohne sich in Details zu verlieren. Die Gegenstände sind bei dieser Künstlerin ein Widerhall der Farben und des Lichts, die Eichler auf ihren Reisen in jungen Jahren per Motorrad unternahm – durch Frankreich etwa, Spanien oder Portugal. Auf diesen Reisen sammelte sie Eindrücke, die sie noch Jahrzehnte später in sich wusste und so in ihre Malerei fließen ließ, erzählt die Laudatorin Andrea Dreher bei der Vernissage in der Mühle. Man möchte anfügen: Wenn ein Gegenstand auf solche Art zum Widerhall nicht nur von Licht und Farbe, sondern auch der Erinnerung wird – ist ein Bild dann noch gegenständlich?
Aber Meret Eichler malte nicht nur Reiseeindrücke, sondern auch die für sie so wichtige Natur unmittelbar vor der Ateliertür. Und wenn vorher von der geometrischen Abstraktion der Wandteppiche die Rede war, muss man auch die Brücke zu den Holztafeln machen – kirchenkunstähnlich in ihren gleichnishaften und symbolisch aufgeladenen Szenen, in denen die geometrische Architektur der Gesamtkomposition den Inhalten nicht minder relevant gegenübertritt.
Wie in den Wandteppichen wird die Gegenständlichkeit in den Holztafeln stark stilisiert. Und beides sind Techniken, die im breiten Strom der zeitgenössischen Kunst als gestrig galten. So zu arbeiten, war natürlich eine bewusste Entscheidung – die Frage ist nur, wie sie zu werten ist. Bedeutet es, dass Eichler sich der Abstraktion, die ja nach 1945 fast eine Monopolstellung innehatte, nicht einfach auslieferte? Dass sie zum Strom ihrer Zeit ein Gegengewicht suchte, das sie in abseitigen Techniken fand, die kaum noch jemand benutzte? Es sind Techniken, die auch der Schnelllebigkeit widerstehen: Es kommt nur sehr langsam voran, wer einen Teppich knüpft oder in den Holzbildern auf eine mittelalterliche Technik zurückgreift, in der die Farbe Schicht um Schicht aufgetragen und wieder abgeschliffen wird.
Am Ende lässt einen diese Ausstellung mit Fragen zurück, die man zuvor nicht im Kopf hatte, wenn man an Meret Eichler dachte. Man ahnt Züge einer eigenständigen Künstlerin, die sich dem Zeitgeist auch bewusst widersetzte. Eine, die sich daher auch nicht an der Stärke des öffentlichen Echos messen lässt.