20.Juli 2012

Oberteuringen Malerei der stillen Höhenflüge
Von HARALD RUPPERT

Der Maler und Dichter Bruno Epple

 

Bist du naiv! Mit diesem Satz kanzelt man jemanden ab, der den Dingen nicht auf den Grund sieht. So negativ ist Naivität aber lang schon nicht mehr aufzufassen. Das Naive gilt vielen wieder als das Unmittelbare, und der Naive ist derjenige, der Zugang dazu hat. Falls er den Dingen nicht auf den (angeblich) schäbigen Grund sieht, dann, weil sie ihm entgegenleuchten.

Naiv nennt man auch die Malerei von Bruno Epple. Aber in welchem Sinne ist sie es? Wenn Epple malt, dann nicht naiv im Sinne von unkundig. Wendet Epple sich etwa der Welt des Zirkus und der Gaukler zu, weiß er freilich um die uralte Tradition dieses Themas in der Kunst, von vorchristlichen Kulturen bis zu Cézanne, Chagall, Picasso. Wer sich aber nur in der Kunstgeschichte auskennt, wird selbst keine Kunst hervorbringen. Was Epple wohl in sich trägt, was ihn treibt, das sind die eigenen Kindheitsbilder vom Zirkus, und diese Bilder sind für ihn persönlich älter und prägender als alle historischen Zirkusszenen, die sich in Kunstkatalogen zwischen Buchdeckeln finden.

Wenn Bruno Epple nun Zirkusclowns malt, wie sie an diesem Wochenende im Kulturhaus Mühle zu sehen sind, kann man seine Malerei vielleicht als die eines Erwachsenen begreifen, der sich an das Staunen und die Fremdheit seines ersten Sehens erinnert. Zugleich klammert Epple aber sein erwachsenes Wissen nicht aus. Sicher, rund im Gesicht und satt in der Farbigkeit sind diese Clowns, und bruchlos eingebettet haben sie ihren Platz in den Szenerien. Aber zugleich schweigt aus ihnen eine merkwürdige Einsamkeit. Manchmal ist es, als ob die Bilder in ihrer starken Farbigkeit und in ihrem harmonisch proportionierten Bildraum so geschminkt seien wie die Gesichter der Clowns und als stünde hinter beiden das Schweigen der Melancholie.

Natürlich trifft man hier auf das Klischee vom Clown als traurigem Außenseiter, aber Bruno Epples Malerei belässt es in der Andeutung und füllt es so mit Emotion – etwa, wenn ein hohl am Betrachter vorbei starrender Pierrot vor kahlen Bäumen Tauben füttert; oder wenn ein Clown vor einem Affen im Käfig steht und sich mit einer betroffenen Geste ans Gesicht fasst, als gliche seine eigene Art der Gefangenschaft der des Tieres – nur, dass der Affe sie mit versteinerter Geduld zu ertragen versteht. Bruno Epple zeigt den Clown nicht beim großen Auftritt – er zeigt des „Clowns Abgang“ in der Minute danach: Mit verdrossener Miene steht er hinterm Vorhang, verdrängt von den dressierten Pferden, die nun im Licht der Manege stehen.

So reich Bruno Epples Farbpalette ist, so distanziert ist sein Blick auf die gemalten Figuren – Distanz als Ausdruck der Höflichkeit und Achtung, Distanz aber auch als Voraussetzung für eine Empathie, die es ohne Abstand nicht geben kann; und in dieser Empathie klingt das Wissen des Erwachsenen um die Härten des Lebens der Fahrenden ebenso an wie der kindliche erste Blick, die Epple einst als Bub auf die fremde Welt des Zirkus warf.

Und dann sind da natürlich jene Bilder, in denen Bruno Epple, der Bewohner der Höri, das Leben am See einfängt. Tatsächlich ein oft paradiesisches Leben, in denen die Leitern in den Himmel wachsen, also direkt in die Kronen der Kirschbäume, und der Ernteeimer sich füllt vor der Kulisse des friedlich liegenden Sees. Bruno Epple schaut im Höhenflug auf die Landschaft, und nah sind ihm dabei die von den Bäumen auffliegenden Rabenvögel. So riesig erscheinen sie, dass sie drunten den kleinen Jäger mit dem Gewehr nicht fürchten müssen. Bruno Epple schafft dem Leben am See Bühnen und dieses Leben macht Brotzeit vor dem Hintergrund eines Waldes, der zwar dicht und dunkel aufragt, aber nicht weiter beunruhigt, solange es zu Schmausen gibt.

In Bruno Epples Bildern gibt es eine Beschaulichkeit, die nicht geschmäcklerisch biedermeierlich wirkt. Wenn der Angler in seinem Boot sitzt oder der Gärtner mit einem (trotz offener Augen) fast friedlich schlummernden Ausdruck im Gesicht im Frühjahr am Baum die Triebe schneidet, knüpft der Maler an eine Kontemplation an, die sich ihm in Kindertagen selbst vermittelte – etwa durch seinen Vater, von dem er 1992 schrieb: „Doch hatte alles seine Ordnung, wenn er das Notwendige mit dem Angenehmen verband. Und so grub er und häckelte vor sich hin, beschnitt Bäume und Brombeerhecke, karrte und goss, brockte Beeren und Erbsen, ruhte im Liegestuhl und horchte den Vögeln zu, denen er Nistkästen zurechtnagelte und auch ins Nest guckte, um die Brut zu kontrollieren. “ Die Erinnerung hat ihre Orte und die kontemplativ gestimmte Malerei kehrt zu ihnen zurück. Diese Orte liegen für Bruno Epple am See und seine malerische Handschrift spiegelt wider, wie er sie empfindet. So schrieb er über den Charakter der Bodenseeregion: „Eine gemäßigte Landschaft, eher leise als laut, eher verhalten als ausgelassen. Nichts in der Landschaft ist hart, spitz, nirgendwo Schärfe in den Konturen, keine Extreme, Kontraste.“

Einer, der so von der Landschaft schreibt, malt von ihr keine Bilder, deren Ausgeglichenheit geklittert wäre. Bist du naiv! – sagt man ihm das, darf er es als Kompliment annehmen.