Einatmen auf Gleis sechs, ausatmen im Aufzug


Lucy van Kuhl präsentierte in der Mühle ihr Programm „Fliegen mit dir“. (Foto: Ruth Maria Schwamborn) SZ 11.11.2018

Corinna Fuhrmann präsentierte am Freitagabend unter ihrem Künstlernamen Lucy van Kuhl in der Mühle Oberteuringen ihr aktuelles Programm „Fliegen mit dir“. Worte und Musik sind ihre wahre Passion, und was liegt da näher als eine Kunstfigur zu erschaffen und mit dieser mit musikalischem Kabarett auf Tour zu gehen.

Wer bei ihr das gängige Lästern über diverse Politiker und eine Endzeitstimmung verbreitende Kabarettistin erwartet, wurde enttäuscht. Dafür aber umso mehr positiv überrascht, dass Kabarett sich auch auf die einfachen zwischenmenschlichen Alltagsbegebenheiten beschränken kann und dies, ohne einmal Langeweile oder Ermüdungserscheinungen seitens des Publikums erkennen zu lassen.

Im Gegenteil, von Beginn an zieht Corinna Fuhrmann alias Lucy van Kuhl die Zuhörer – mit ihrer charakterstarken Bühnenpräsenz – total in den Bann und das nicht nur mit ihrer überdurchschnittlichen Größe, welche sie auch gleich beim ersten Stück thematisiert: „Ich bin so groß wie die Berge in Davos, und bei einem Einsatz eines Mini-Pianos sehe ich aus wie eine Giraffe am Futtertrog.“ Sie verbindet exzellentes Klavierspiel mit kabarettistischem Gesang. Nicht verwunderlich ob ihres Lebenslaufes als ausgebildete Pianistin mit einem Magister in Literaturwissenschaften. Geboren in Köln lebte sie schon in München, Linz und aktuell in Berlin und Südfrankreich.

Da Corinna Fuhrmann bekennende Nutzerin öffentlicher Verkehrsmittel ist und bereits stolze Inhaberin der silbernen Bahn-Comfort-Card, bietet dies natürlich reichlich Stoff. Doch auch hier differenziert sie und zieht nicht wie üblich über die unpünktlichen Züge her, sondern behandelt das Thema von der „keimfreien Seite“. Wie ist ein Toilettengang mit so wenig Kontakt wie möglich zu virus-und bakterienbefallender Flächen zu bewältigen? Was sich als gar nicht so einfach herausstellte, denn zu warten bis ein anderer kommt und die Tür öffnet, hat sie schon einmal den Ausstieg in Frankfurt verpassen lassen. Auch macht sie von jedem Bahnhof sogenannte Atempläne. Aus dem einfachen Grund: „Weil Bahnhöfe stinken“. „So heißt es einatmen auf Gleis sechs und ausatmen im Aufzug, denn da riecht es nach Urin. Einatmen vor dem Bäcker, ausatmen vor der Nordsee.“ Gesunde Ernährung auf Reisen spielt gleichfalls eine große Rolle. Zu Hause am Prenzlauer Berg entwickelt sich eine Berliner-Bio-Gesellschaft. „Da ist inzwischen alles Bio. Da sind sogar die Mütter Bio, zumindest sehen die schon selber aus wie ungespritzte Birnen“. Ihr Programm lebt von der Abwechslung. Sie erzählt zwischen ihren Liedern von selbsterlebten Anekdoten und es kommen auch die leisen und nachdenklichen Töne nicht zu kurz. Diese kommen besonders bei der Erinnerung an einen Schulfreund oder dem Stück „Herr Schmitt würde so gerne mal mit“ zum Tragen. Hier sind es die zarten Pointen, intellektuell und poetisch in Szene gesetzt.

Diese Frau hat nicht nur unheimlich viel Talent, sondern begeistert auch durch ihre Authentizität und ihr hohes spielerisches Können. Nur so ist es zu erklären, dass sie es schafft, die gesamten zwei Stunden die Bindung zum Publikum aufrecht zu erhalten und die begeisterten Zuhörer hofften, der Abend möge nicht so schnell vorüber gehen. Die zufriedenen Besucher dankten es der Künstlerin mit langanhaltendem, nicht enden wollendem Applaus und diese wiederum revanchierte sich mit drei weiteren Zugaben.